Die Alianza Sierra Madre verfolgt eine Philosophie der Hilfe zur Selbsthilfe. Den indigenen Gemeinden sollen keine fertigen Konzepte und Pläne übergestülpt werden. Am Anfang der Arbeit stehen vielmehr mehrtägige Workshops, in denen die Teilnehmer – Jugendliche, Frauen, Männer – ihre Probleme darlegen, Vorstellungen entwickeln, wie man diese Probleme lösen könnte, und ihren Hilfebedarf feststellen. So bleiben die indigenen Gemeinden die Herren des Verfahrens, entwerfen Entwicklungskonzepte, die an tradiertes Wissen anknüpfen und in die eigene Kultur eingebettet sind.
Die Themen, die in solchen Workshops behandelt werden, sind vielfältig: Da geht es um Gewalt und Gewaltprävention, Drogen, Gesundheitsvorsorge und Frauenrechte, Umweltschutz und nachhaltige Landwirtschaft, den kulturellen Wandel in den indigenen Gemeinden.
Aufgrund der fortschreitenden Entwaldung der Sierra Tarahumara, der dadurch ausgelösten Dürreperioden und der zunehmenden Bodenerosion gehen die Erträge der Landwirtschaft der indigenen Gemeinden zurück. Immer wieder kommt es zu Hungersnöten, müssen notfallmäßig Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Um längerfristig Abhilfe zu schaffen, veranstaltet die Alianza Sierra Madre in den indigenen Gemeinden Workshops zu nachhaltigem und umweltschonendem Garten- und Landbau. Vermittelt werden Kenntnisse über die Anlage von Gemüsegärten und Gewächshäusern, der Verwendung von Biokompost, die schonende Gewinnung von landwirtschaftlichen Flächen und Maßnahmen zur Verhinderung von Waldbränden – letzteres wird aufgrund der anhaltenden Trockenheit mehr und mehr zum Problem. Bei diesen Schulungen werden nicht einseitig moderne agroökologische Techniken vermittelt. Vielmehr geht es in der Hauptsache darum, das traditionelle Wissen über den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen, das in dem Maße, wie die westliche Zivilisation in die Sierra Tarahumara vordringt, verloren zu gehen droht, wiederzubeleben. Ein weiteres Projekt zielt auf den Schutz nativer Maissorten ab. Aktuell werden die Möglichkeiten ausgelotet, das Saatgut dieser Maissorten als geistiges Eigentum der indigenen Völker des Staates Chihuahua offiziell registrieren zu lassen.
Im Jahre 1998 gründeten etwa dreißig Frauen aus der Gemeinde Baborigame im Süden der Sierra Tarahumara die Kooperative Mujeres Indígenas Tarahumaras y Tepehuanas A.C. (MITYTAC). Der Name bringt zum Ausdruck, dass sich hier Frauen aus zwei verschiedenen indigenen Völkern,den Tarahumara und des Tepehuanes, zusammengeschlossen haben, um sich gemeinsam eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. Bis dahin waren sie zumeist auf sich allein gestellt gewesen – nicht wenige von ihnen sind Witwen, die ihre Männer bei Gewaltakten der Drogenmafia verloren haben – und hatten sich und ihre Familien mit den Erträgen ihrer Gärten und Felder, als schlecht bezahlte Dienstbotinnen in den Haushalten der Mestizen oder als Helferinnen auf den Drogenfeldern in den Schluchten der Sierra Tarahumara durchgebracht. In der Kooperative stellten sie zunächst Produkte aus handgeschöpftem Papier her, dann gingen sie dazu über, Obst und Gemüse einzukochen und auf dem lokalen Markt zu verkaufen.
Fand die Gründungsversammlung noch unter einem Baum statt, so nennt die Kooperative mittlerweile ein eigenes Versammlungshaus ihr Eigen. Waren die Frauen anfangs fast durchweg Analphabetinnen, so haben sie inzwischen alle Lesen und Schreiben gelernt und verwalten ihre Kooperative ohne Unterstützung von außen. Mit dem Projekt tragen sie nicht nur zum Familieneinkommen bei, sondern werten auch ihre eigene Stellung in der Familie und der Gemeinde auf und entwickeln ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein.
Die indigenen Gemeinden in der Sierra Tarahumara haben zunehmend mit ökologischen Problemen zu kämpfen. Infolge der Abholzung des früher dicht bewaldeten Gebirges ist der Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht, die Niederschlagsmenge geht zurück.
EllenSchriek@korima.de
Hans-WalterSchmuhl@uni-bielefeld.de