11.8.2020. Mexiko hat sich in den letzten Wochen zu einem Hot Spot der Coronapandemie entwickelt. Mittlerweile zählt das Land fast eine halbe Million Infizierte, mehr als 53.000 Mexikanerinnen und Mexikaner sind an oder mit dem Coronavirus gestorben. Wie unsere Partnerorganisation, die Alianza Sierra Madre, berichtet, entfallen knapp 1.000 Todesfälle auf den Bundesstaat Chihuahua - wieviele dieser Toten Indigene sind, ist nicht bekannt. In den indigenen Gemeinden der Sierra Madre Occidental ist das Coronavirus anscheinend noch nicht angekommen. In Choréachi und Coloradas de la Virgen ist es bislang noch nicht zu Infektionen gekommen, Baborigame meldet eine Infektion. Den Frauen der Kooperative MITYTAC und ihren Familien geht es gut.

Die Alianza Sierra Madre hatte ihre Tätigkeit vorübergehend stark einschränken müssen. Inzwischen wurde die Menschenrechtsarbeit vor Ort wieder aufgenommen. Am 11./12. Juli fand in Baborigame in Zusammenarbeit mit einer Umweltschutzorganisation ein Workshop mit Aktivisten und Aktivistiinnen aus der Gemeinde Coloradas de la Virgen statt, bei dem es um die Auswirkungen des Bergbaus ging. Allein für das Gebiet der Gemeinde Coloradas de la Virgen sind zuletzt vier Bergbaukonzessionen erteilt worden. An vielen Orten im Bezirk Guadalupe y Calvo haben Tagebauprojekte begonnen - gegen den Willen der indigenen Bevölkerung. In der nächsten Woche soll ein weiterer Workshop stattfinden, bei dem es um die Organisation der indigenen Gemeinden im Widerstand gegen den Raubbau an den Rohstoffen der Sierra Tarahumara geht. Das Thema ist brandaktuell. In verschiedenen Gemeinden versuchen die Kaziken, lokale Machthaber, die häufig mit den Narcos im Bunde sind, den forstwirtschaftlichen Raubbau an den Wäldern beschleunigt voranzutreiben. Wie in ganz Lateinamerika, so nutzen auch in der Sierra Tarahumara korrupte Politiker, Wirtschaftsunternehmen und mafiöse Netzwerke die aktuelle Situation, in der sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Pandemie richtet, um die indigenen Gemeinden zu entrechten, einzuschüchtern und auszurauben. Die Alianza Sierra Madre unterstützt die indigenen Gemeinden, die sich dagegen zur Wehr setzen. Und wir unterstützen die Alianza - jetzt erst recht!

Dieser Tage erreichte uns die Nachricht, dass in der Gemeinde Choréachi viele Kleinkinder an akuter Unterernährung leiden, fünf Kinder sind in den letzten beiden Monaten gestorben. Unsere Partnerorganisation Alianza Sierra Madre hat sich an die Regierungen Mexikos und des Bundesstaates Chihuahua gewandt, um die Versorgung mit Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminpräparaten in der aktuellen Notlage zu organisieren. Um die Ernährungssituation nachhaltig zu verbessern, plant die Alianza zudem ein neues Projekt, um die indigene Bevölkerung in Workshops mit agroökologischen Methoden vertraut zu machen, die den Ertrag der Felder und Gärten steigern sollen. Kórima e.V. wird dieses Projekt finanziell unterstützen.

Kórima e.V. unterstützt den Appell von Amnesty international an den Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Chihuahua. Darin heißt es:


• „Führen Sie bitte umgehend eine umfassende und unparteiische Untersuchung durch, um den Mord an Julián Carillo aufzuklären. Stellen Sie sicher, dass sein Engagement zum Schutz der Menschenrechte als mögliches Tatmotiv bei den Ermittlungen beachtet wird und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“


• „Bitte ergreifen Sie Maßnahmen, um die Familienangehörigen von Julián Carillo und die Mitarbeiter_innen der sie unterstützenden NGO Alianza Sierra Madre A.C. (ASMAC) zu schützen.“


• Sorgen Sie bitte dafür, dass der Gemeinschaft in Coloradas de la Virgen das Recht auf ihr Territorium garantiert wird, und stellen Sie sicher, dass alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, damit sie ihre Arbeit ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen fortsetzen können.“

Am 1. Mai 2019 wurden Otilia Martínez Cruz, sechzig Jahre alt, und ihr Sohn Gregorio Chaparro Cruz, zwanzig, in Coloradas de la Virgen ermordet. Otilia war eine Nichte, Gregorio ein Großneffe von Julián Carillo Martinez. Die Morde fanden an dem Tag statt, als Ermittler der Staatsanwaltschaft anreisten, um die Mitglieder der indigenen Gemeinde zu befragen, die bei den Behörden Anzeigen wegen Mordes, Körperverletzung, Bedrohung, Enteignung und Viehdiebstahls gestellt hatten. Gregorio Chaparro war einer der geladenen Zeugen.

Am Día de los Muertos am 31. Oktober 2018 haben wir einen Altar zum Gedenken an Julián Carillo aufgebaut, einen Mitarbeiter unserer Partnerorganisation Alianza Sierra Madre, dessen Leiche, von zahlreichen Kugeln durchsiebt, am 24. Oktober in den Bergen unweit seiner Heimatgemeinde Coloradas de la Virgen gefunden wurde. Der Mord geschah wenige Wochen, nachdem die indigene Gemeinschaft von Coloradas de la Virgen offiziell Protest gegen eine ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen erteilte Bergbaukonzession zur Ausbeutung der Bodenschätze auf dem Boden der Gemeinde eingelegt hatte. Die kleine Gemeinde im Süden der Sierra Tarahumara gehört zu den Kommunen mit der höchsten Rate an Gewaltverbrechen in Mexiko. 2017 war hier bereits ein weiterer Mitarbeiter der Alianza Sierra Madre, der Umweltaktivist und Menschenrechtler Isidro Baldenegro López, ermordet worden. In diesem Jahr wurden bereits 21 Menschenrechtsaktivisten in Mexiko umgebracht, darunter neun aus indigenen Gemeinschaften. Vier Mitglieder der Familie von Julián Carillo – ein Sohn, ein Schwiegersohn und zwei Neffen – sind seit Februar 2016 den Mordkommandos der Drogenmafia zum Opfer gefallen. Keiner der Mörder ist zur Verantwortung gezogen worden, obwohl in manchen Fällen genau bekannt ist, wer die Morde begangen hat. Die Täter bleiben straffrei, weil die Mafia mit den lokalen Behörden und der Polizei unter einer Decke stecken. Der Mord an Julián Carillo hat zu einer scharfen Protestnote mehrerer UN-Sonderberichterstatter geführt, Amnesty international hat sich eingeschaltet, die internationale Presse hat über den Fall berichtet. Kórima e.V. stellt – dank Ihrer Spenden – Mittel zur Verfügung, um an Leib und Leben bedrohte Menschenrechtsaktivisten zu schützen.

Telefon 05203 / 69 49 (Ellen Schriek)
und 05723 / 9588904 (Hans-Walter Schmuhl)
EllenSchriek@korima.de
Hans-WalterSchmuhl@korima.de