Nach langer Zeit zurück. Am Donnerstagnachmittag landen Magdalena und ich in Chihuahua, Isela Gonzales – die Direktorin unserer Partnerorganisation Alianza Sierra Madre – und ihre Tochter holen uns vom Flughafen ab. Sofort steigen wir ins Thema ein. Was hat sich alles verändert in den letzten Jahren? Einige frühere Mitarbeiter arbeiten jetzt in staatlichen Organisationen, versuchen so, die Menschenrechtsarbeit voranzutreiben, unterstützen die Alianza aber weiterhin.


Am nächsten Tag findet ein erster Informationsaustausch im Büro statt. Isela war in diesem Jahr mit den Internationalen Friedensbrigaden in Genf, um vor der Menschenrechtskommission über die Situation in der Sierra zu berichten. Die Alianza arbeitet mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen in Mexiko, aber auch mit vielen internationalen Organisationen sowie drei Fachanwälten für Völkerrecht.
Und wir lernen die jungen Anthropologen Paloma und Efrén kennen, die engagiert mitarbeiten und auch sich liebevoll um die vertriebene sechsköpfige Familie aus Baborigame kümmern, die im Büro eine vorübergehende Notunterkunft gefunden hat. Sie mussten von ihrem Rancho fliehen, nachdem sie massiv bedroht worden sind. Die zehnjährige Tochter wurde vergewaltigt. Die Kinder sind traumatisiert und benötigen psychologische Betreuung. Aber auch Nahrungsmittel, Kleidung, Schulunterricht, Spielzeug und andere Ablenkungen (Sport- und Nähkurse) müssen organisiert werden.
Der Anwalt Ernesto meint, die Arbeit der Alianza habe sich in den letzten zwei Jahren sehr verändert. Er vergleicht sie mit der Tätigkeit in der Notaufnahme eines Krankenhauses: Es gibt so viele Notfälle auf die sofort reagiert werden muss, um Schlimmeres zu verhindern. Das raubt sehr viel Kraft und Energie.

  • IMG_1791
  • IMG_1822
  • IMG_2136
  • IMG_2161
  • IMG_2184
  • IMG_2282
  • IMG_2290
  • IMG_2342
  • IMG_2398
  • IMG_2417
  • IMG_2446
  • IMG_2463
  • IMG_2524
  • IMG_2563
  • IMG_2569

Zum Vergrössern bitte auf die Bilder klicken...


Im Moment werden drei vertriebene Familien von der Alianza betreut, über vierzig Personen aus Coloradas de la Virgen sind vertrieben worden und es werden immer mehr. Die Schergen der Mafia wollen das Land der Indigenen und ihre Ranchos und greifen zu immer brutaleren Mitteln. Sie vertreiben das Vieh, zerstören die Ernte und damit die Lebensgrundlage der Familien und werden dabei in einigen Fällen auch noch von der örtlichen Polizei unterstützt.

Am nächsten Tag fahren wir nach Guachochi, um uns mit Prudencio Ramos aus Choréachi (Pino Gordo) und seinem Team zu treffen. Sie berichten von ihrer Studie. Seit Oktober 2016 wurden Jugendliche mit Fotoapparaten losgeschickt, um in ihrem Territorium Tiere und Pflanzen zu fotografieren. Die Daten werden mit einer Studie aus den Jahren 2000/2001 verglichen, die von einer internationalen Expertengruppe durchgeführt wurde, und sie zeigen, dass aufgrund des Klimawandels manche Arten vom Aussterben bedroht oder verschwunden und andere neu hinzugekommen sind. Die Jugendlichen sind sehr stolz auf ihre aussagekräftigen Ergebnisse, die sie unter erschwerten Bedingungen gesammelt haben. Fast unsichtbar und flink streifen sie durch die Gebiete der Drogenmafia, sie kennen sich gut aus und können der Gefahr aus dem Weg gehen. Für internationale Wissenschaftler kann in dieser Zeit der Gewalt niemand die Verantwortung übernehmen.

Kurz nach unserer Rückkehr nach Chihuahua packen wir unsere Koffer erneut, um an einer dreitägigen Konferenz zum Thema Müttergesundheit und Müttersterblichkeit in der Sierra Tarahumara in Hidalgo del Parral teilzunehmen. Organisiert wurde das Treffen von der Alianza in Zusammenarbeit mit der staatlichen COEPI (Comisión Estatal de los Pueblos Indígenas). Vertreten waren Ärzte, Krankenschwestern und Vertreter medizinischer Notfalldienste. Dreizehn Indigene aus Choréachi, darunter viele Owirúame (traditionelle Heiler), wurden aus Sicherheitsgründen von einer Polizeieskorte zum Tagungsort begleitet.
Dies war die Auftaktveranstaltung zu einer Reihe weiterer Treffen, die für die nächsten fünf Jahre geplant sind. Im Fokus steht der interkulturelle Austausch. Es erleichtert die Arbeit der Ärzte und Krankenschwestern, wenn sie mit der Lebensweise der Indigenen vertraut sind. Und auch von Seiten der Indigenen werden Berührungsängste abgebaut, wenn sie wissen, was in den Krankenhäusern auf sie zukommt.
Ein wichtiges Thema war das frühzeitige Erkennen von Alarmsignalen in der Schwangerschaft, um sofort reagieren zu können. In Parral haben wir eine Herberge für schwangere Frauen besucht. Hier können Frauen vor und nach der Geburt betreut werden, wenn Komplikationen auftreten.
Alle Beteiligten waren von diesem ersten Austausch sehr angetan und gehen mit großem Engagement an die Vorbereitung der weiteren Treffen.

Ellen Schriek

 

 

EllenSchriek@korima.de
Hans-WalterSchmuhl@uni-bielefeld.de