24.3.2024. Nachdem sich die indigene Gemeinde Choréachi in der Sierra Tarahumara wegen des Todes von fünf Kleinkindern infolge von Unterernährung an die Menschenrechtskommission des mexikanischen Bundestaates Chihuahua gewandt hatte, hat sich nun die Nationale Menschenrechtskommission des Falls angenommen. Sie hat sich vor Ort informiert und stellt in ihrem Bericht fest, dass die Behörden des Bundesstaates Chihuahua die Menschenrechte der indigenen Gemeinde – das Recht auf Leben, Gesundheit, Nahrung, Bildung und einen angemessenen Lebensstandard, insbesondere auch im Hinblick auf Frauen und Kinder, verletzt haben. Die Kommission hat den Behörden eine Frist von sechs Monaten gesetzt, um festzustellen, wieviele Kinder überhaupt in der Gemeinde Choréachi leben, wie es um ihren Gesundheitszustand bestellt ist und wie der Zugang zu ausreichender Ernährung, Trinkwasser, medizinischer Versorgung und interkultureller Bildung sichergestellt werden kann. Das Papier räumt den indigenen Gemeinden und insbesondere den vulnerablen Gruppen sehr weitreichende Rechte ein. Ob diese auch umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Wir werden die weitere Entwicklung mit kritischem Blick beobachten.

11.8.2020. Mexiko hat sich in den letzten Wochen zu einem Hot Spot der Coronapandemie entwickelt. Mittlerweile zählt das Land fast eine halbe Million Infizierte, mehr als 53.000 Mexikanerinnen und Mexikaner sind an oder mit dem Coronavirus gestorben. Wie unsere Partnerorganisation, die Alianza Sierra Madre, berichtet, entfallen knapp 1.000 Todesfälle auf den Bundesstaat Chihuahua - wieviele dieser Toten Indigene sind, ist nicht bekannt. In den indigenen Gemeinden der Sierra Madre Occidental ist das Coronavirus anscheinend noch nicht angekommen. In Choréachi und Coloradas de la Virgen ist es bislang noch nicht zu Infektionen gekommen, Baborigame meldet eine Infektion. Den Frauen der Kooperative MITYTAC und ihren Familien geht es gut.

Die Alianza Sierra Madre hatte ihre Tätigkeit vorübergehend stark einschränken müssen. Inzwischen wurde die Menschenrechtsarbeit vor Ort wieder aufgenommen. Am 11./12. Juli fand in Baborigame in Zusammenarbeit mit einer Umweltschutzorganisation ein Workshop mit Aktivisten und Aktivistiinnen aus der Gemeinde Coloradas de la Virgen statt, bei dem es um die Auswirkungen des Bergbaus ging. Allein für das Gebiet der Gemeinde Coloradas de la Virgen sind zuletzt vier Bergbaukonzessionen erteilt worden. An vielen Orten im Bezirk Guadalupe y Calvo haben Tagebauprojekte begonnen - gegen den Willen der indigenen Bevölkerung. In der nächsten Woche soll ein weiterer Workshop stattfinden, bei dem es um die Organisation der indigenen Gemeinden im Widerstand gegen den Raubbau an den Rohstoffen der Sierra Tarahumara geht. Das Thema ist brandaktuell. In verschiedenen Gemeinden versuchen die Kaziken, lokale Machthaber, die häufig mit den Narcos im Bunde sind, den forstwirtschaftlichen Raubbau an den Wäldern beschleunigt voranzutreiben. Wie in ganz Lateinamerika, so nutzen auch in der Sierra Tarahumara korrupte Politiker, Wirtschaftsunternehmen und mafiöse Netzwerke die aktuelle Situation, in der sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Pandemie richtet, um die indigenen Gemeinden zu entrechten, einzuschüchtern und auszurauben. Die Alianza Sierra Madre unterstützt die indigenen Gemeinden, die sich dagegen zur Wehr setzen. Und wir unterstützen die Alianza - jetzt erst recht!

Am 1. Mai 2019 wurden Otilia Martínez Cruz, sechzig Jahre alt, und ihr Sohn Gregorio Chaparro Cruz, zwanzig, in Coloradas de la Virgen ermordet. Otilia war eine Nichte, Gregorio ein Großneffe von Julián Carillo Martinez. Die Morde fanden an dem Tag statt, als Ermittler der Staatsanwaltschaft anreisten, um die Mitglieder der indigenen Gemeinde zu befragen, die bei den Behörden Anzeigen wegen Mordes, Körperverletzung, Bedrohung, Enteignung und Viehdiebstahls gestellt hatten. Gregorio Chaparro war einer der geladenen Zeugen.

EllenSchriek@korima.de
Hans-WalterSchmuhl@uni-bielefeld.de